
Mit deutsch-französischer Solidarität durch die Energiekrise und das Saarland mittendrin
Der deutsch-französische Energie-Deal als Ausweg aus der Krise?
Am 05. September 2022 sagte der französische Präsident Emmanuel Macron im Anschluss an eine Videokonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz: „Deutschland braucht unser Gas, und wir brauchen den Strom, der im übrigen Europa und insbesondere in Deutschland produziert wird“. Ziel des deutsch-französischen Energie-Deals ist ein Tauschhandel zwischen den zwei Staaten. Deutschland soll weiterhin an Frankreich Strom liefern und Frankreich im Gegenzug Deutschland mit Gas versorgen.
Die Energieproduktion in Deutschland und Frankreich
Die Energiesituation ist in beiden Ländern angespannt. Was in Deutschland die Gasknappheit ist, ist in Frankreich die Stromknappheit. In Frankreich heizen ca. ein Drittel der Haushalte mit Strom, in Deutschland hingegen ca. 50 Prozent der Haushalte mit Gas. Zudem wird in Deutschland viel Gas für die Industrie benötigt. So verbrauchte Deutschland im Jahr 2021 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas, Frankreich im gleichen Zeitraum nur 43 Milliarden.
Normalerweise produziert Frankreich genügend Strom. Doch derzeit treffen zwei Faktoren aufeinander, die in Frankreich der Grund für die Stromknappheit sind. Frankreich deckt ca. 70 Prozent seines Strombedarfs durch seine 18 Atomkraftwerke mit 56 Kernreaktoren. Seit Wochen sind jedoch mehr als die Hälfte der Reaktoren außer Betrieb und wurden vom Netz genommen. Gründe dafür sind Instandsetzungsarbeiten, teure Wartungsarbeiten und unvorhergesehene Korrosionsprobleme an zwölf Reaktoren. Aufgrund der niedrigen Pegelstände der Flüsse, steht Kühlwasser nur in unzureichender Menge bereit, weshalb Atomkraftwerke vom Netz genommen werden mussten. Ziel des Betreibers Électricité de France (EDF) ist es, die Atomkraftwerke bis Februar 2023 wieder ans Netz anschließen zu können. Ob diese Zusage eingehalten werden kann, ist jedoch noch ungewiss. Der Konzern ist mit rund 42 Milliarden Euro plus Zinsen verschuldet. Am 06.07.2022 hat Premierministerin Élisabeth Borne die komplette Wiederverstaatlichung angekündigt. Bis zu diesem Zeitpunkt war EDF nur zu 84 Prozent verstaatlicht. Die Nutzung der Atomkraft zur Stromerzeugung wird Frankreich wegen den anhaltenden Problemen mit den Atomkraftwerken und des desolaten Konzerns EDF noch lange beschäftigen. Der zweite Faktor für die Stromknappheit ist die Wasserkraft als zweitwichtigster Energieträger in der französischen Stromproduktion. Jedoch war die Stromlieferung von Wasserkraftwerken aufgrund des Niedrigwassers durch den extrem trockenen Sommer unzuverlässig.
Im Gegensatz zu Frankreich produzierte Deutschland im ersten Halbjahr 2022 deutlich mehr Strom als normalerweise. Statt wie seit 1990 üblich Strom von Frankreich zu importieren, exportierte Deutschland Strom nach Frankreich. Sinnvoll ist der Im- und Export von Strom, um auf diese Weise Schwankungen im Netz auszugleichen. Derzeit stammt ca. die Hälfte des in Deutschland produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien. Jedoch stieg auch die Stromproduktion aus Gas, um Frankreich mit Strom zu beliefern.
Frankreich besitzt im Gegensatz zu Deutschland vier LNG-Terminals, über die 33 Milliarden Kubikmeter Erdgas per Schiff importiert werden können. Einen anderen Teil des Gases bezieht Frankreich über Pipelines aus Spanien. Vor dem Ukrainekrieg bezog Frankreich ein Viertel und Deutschland mehr als die Hälfte von Russland. Daher war die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas viel größer, als die Frankreichs.
Die Rolle des Saarlandes bei der Gasversorgung zwischen Deutschland und Frankreich
Es ist geplant die Nord-Leitung des Megal-Pipeline-Systems zur Lieferung des Gases von Frankreich nach Deutschland zu nutzen. Megal ist die Abkürzung für Mittel-Europäische Gasleitung und ist Teil des europäischen Ferngasverbundsystems in Süddeutschland. Die Pipeline importierte normalerweise Gas aus Tschechien über Deutschland (Bayern – Hessen – Rheinland-Pfalz – Saarland) nach Frankreich. Der Grenzübergabepunkt Saarland/Département Moselle befindet sich in Medelsheim im Saarland, einem Ortsteil von Gersheim und Obergailbach im Département Moselle.
Angedacht ist nun, dass Gas aus Frankreich nach Deutschland geliefert wird, also in umgekehrter Richtung fließt. Die Umkehrung des Gasflusses muss erst einmal technisch bewerkstelligt werden. Heikel ist zudem, dass in Frankreich durch Ferngasleitungen mit Geruchsstoffen versetztes Gas, sogenanntes odoriertes Gas, fließt. In Deutschland ist dies nicht erlaubt, denn laut Bundeswirtschaftsministerium kann der hohe Schwefelanteil, der in den zugesetzten Geruchsstoffen enthalten ist, Schäden an Industrieanlagen verursachen und so für Großabnehmer problematisch sein. Privathaushalte sind davon nicht betroffen. Wenn, dann werden die Geruchsstoffe erst auf kommunaler Ebene hinzugefügt. An einer Lösung wird bereits durch das Unternehmen GRTgaz Deutschland, das auf der Megal-Leitung operiert, gearbeitet. Kurzfristig könnte odoriertes Gas in den Ferngasleitungen toleriert werden. Als mittelfristige Lösung käme der Bau einer Deodorisierungsanlage am Übergabepunkt Medelsheim – Obergailbach in Betracht. Diese Möglichkeit wird derzeit in den entsprechenden Gremien und Arbeitsgruppen geprüft.