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FRANKREICH

Kontroverse: Baguette - Vom baldigen Kulturerbe 2022 zum Dumpingpreis?

Ein Artikel rund um die beliebteste Weißbrotstange der Welt: vom Angeln, von Preissenkungen, Handwerkskunst und Tradition für die Aufnahme als Kulturerbe 2022; Bon appétit!

Kaum etwas steht so stereotypisch für Frankreich wie das Baguette. Gerade in der Grenzregion ist es bekannt und beliebt. Während der Grenzschließung im Frühjahr 2020 zwischen Frankreich und Deutschland war es nur durch Kreativität möglich an das knusprige Brot mit dem kleinen Herzen aus Gold heranzukommen. So wurde der Saarländer Hartmut Fey am 12. April 2020 als Baguette-Angler berühmt, indem er ein Baguette über die Grenzabsperrung angelte. Seit Dezember 2021 ist die besagte Angel Teil der Sammlung des Historischen Museums Saar und kann dort besichtigt werden. Allein dies zeigt die starke Verbundenheit der in der Grenzregion lebenden Menschen mit dem Baguette. So sagte Museumsdirektor Simon Matzerath bei der Übergabe der Angel: „Das Museum versteht sich als Museum für die Geschichte des Saarlandes und der deutsch-französischen Grenzregion“.

© Photo by Jim Harris on Unsplash, @jamesharris_photography | Photo by Jim Harris on Unsplash

Das Baguette soll immaterielles UNESCO Kulturerbe werden

Genauso wie das Baguette die deutsch-französische Grenze 2020 durch die Angelaktion symbolisch geöffnet und auf die Probleme der Grenzschließung aufmerksam gemacht hat, soll nun die Symbolkraft des Baguettes als UNESCO Kulturerbe wirken und die traditionelle französische Baguetteherstellung schützen.

Der französische Bäckerverband möchte, dass das über Generationen weitergegebene Wissen über die Baguetteherstellung als traditionelles Handwerk bewahrt wird, damit die Bäckereien als unabhängige Handwerksbetriebe weiterbestehen können. So soll verhindert werden, dass irgendwann nur noch maschinell hergestelltes Baguette verkauft wird und die kleinen Bäckereien verschwinden.

Im Gegensatz zu Deutschland dürfen in Frankreich nur Bäckereien diesen Namen tragen, wenn sie den Teig selbst herstellen, kneten und backen. All diese Arbeitsschritte werden in Handarbeit durchgeführt und können nicht durch einfaches Aufbacken von Teigrohlingen ersetzt werden. Viele dieser kleinen unabhängigen Bäckereien machen einen Großteil ihres Umsatzes allein mit dem Verkauf des Baguettes. Schließlich kann das Baguette nicht nur herzhaft, sondern auch süß und in vielen anderen Variationen kulinarisch genossen werden. Das Baguette verbindet nicht nur eine knusprige Schale mit einem weichen Kern, sondern auch alt und jung sowie Menschen aus ganz Frankreich und über die Grenzen hinaus.

Erst im Herbst 2022 wird das Kulturerbe-Kommitee über die Bewerbung des Baguettes entscheiden. Bis dahin werden noch viele Baguettes gegessen werden.

Baguette-Preise, kleine Traditionsbetriebe gegen große Einzelhandelsketten?

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich steigt die Inflation. So stieg der Weizenpreis innerhalb eines Jahres um mindestens 30 %. Trotzdem senkte Mitte Januar 2022 die französische Einzelhandelskette E.Leclerc den Preis für Baguettes auf 0,29 € für einen Zeitraum von vier Monaten. Diesen Schritt begründete das Unternehmen damit, die Kaufkraft der französischen Bevölkerung schützen zu wollen. Eine Woche nach dieser Ankündigung senkte Lidl ebenfalls den Preis auf 0,29 € pro Baguette, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Im Gegensatz dazu betrug im Jahr 2021 der Durchschnittspreis eines Baguettes ca. 0,90 €.

Die Senkung der Baguettepreise auf ein Drittel des Durchschnittspreises sorgte für Empörung bei kleinen Bäckereibetreiben und Lebensmittelproduzenten.

Laut Yannick Fialip, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Landwirtschaftsverbands FNSEA, sind die Bauern als Zulieferer der Supermärkte u.a. in ihren jährlichen Verhandlungen im Januar 2022 betroffen, da die Produktionskosten steigen und die Preissenkung ihre Verhandlungsposition schwächen könnte. Die gestiegenen Produktionskosten müssten an die Kunden weitergegeben werden, da sonst eine Pleitewelle drohe.

Das Preisdumping der großen Supermarktketten hat besondere Auswirkungen auf die kleinen Bäckereien, die dadurch Kunden verlieren könnten. Zudem sind durch die steigenden Weizen- und Mehlpreise die Magen schon geschrumpft, sodass kleine Bäckereien nicht mehr in der Lage sind, ihre Preise zu senken. Auch suggeriert dieser geringe Preis, dass das Produkt nichts wert ist, obwohl gerade die von Hand gebackenen Baguettes kostenintensiver in der Herstellung sind. Zudem können die ca. 33.000 kleinen Bäckereien ihre Preise nicht wie große Supermarktketten so drastisch senken, um mit dem Verkauf von anderen Produkten dies wieder auszugleichen. Die Qualität und das Bäckerhandwerk der kleinen Bäckereien haben ihren berechtigten Wert, deren höhere Preise angebracht sind. Gerade dies wird durch die Bewerbung des Baguettes als immaterielles Kulturerbe deutlich, schließlich ist das Baguette kein einfaches Lebensmittel, sondern stellt eine generationenübergreifende französische Tradition dar.

Ob die Preisaktion von E.Leclerc legal war, wird nun im Auftrag des landesweiten Verbands der Bäcker und Konditionen CNBPF anwaltlich geprüft.

Es wird sich noch zeigen, wer sich die Butter zuletzt vom Baguette nehmen lässt.

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